"Sha sha sha, sha sha, sha!" Rhythmisch und gefühlt endlos poltert der poetische Punk-Song "Sha sha, sha" durch Kaspars Toyota Hiace. Es könnte keine romantischere Roadtrip-Stimmung aufkommen. Stumm und ganze drei Stunden lang führt die Straße in nordwestliche Richtung. Von Canberra hinaus Richtung Forbes. Links und rechts fliegt die weite, raue Ebene von New South Wales vorbei. Die Temperatur steigt auf knapp unter 30 Grad. Australian Summer, here we come!"
Die Insel in der Steppe
Gegen 9.30 Uhr erreichen wir das Ziel: Die kleine Stadt Forbes. Für mich im gefühlten Outback. Offene Strauch- und Grassteppen wechseln sich ab mit halbwüstenhafter Flächen. Dazwischen immer wieder dichte Eukalyptus-Wälder. Das Land ist vielseitig und erscheint gleichzeitig unfassbar rau und karg. Die Straßen scheinen sich schier endlos durchs Land zu winden.
Wenn nun eine Stadt in Sicht kommt wirkt sie, wie eine kleine Insel, auf die man nur durch Zufall trifft, im wüstenartigen Meer. Dieses Gefühl habe ich, als sich Forbes langsam aus dem Horizont schält. Die alte Goldgräberstadt, gegründet 1861, hat einen besonderen Charme. Großräumige Bungalows, oft aus Holz oder Backstein, reihen sich in gitterförmig angeordnete Straßen aneinander. Die Straßen sind ewig breit, keine Markierungen, keine parkenden Autos, kein Dreck, glänzend grau in der unbarmherzigen Sonne.
Rendezvous mit Troopy
Auf Forbes habe ich mich besonders gefreut. Hier besuche ich Dorothee, eine alte Freundin meines Vaters, und ihren Mann Paddy. Als wir auf den Schotter vor das alte Holzhaus rollen, fällt es leicht sich schnell wie zuhause zu fühlen. Eine kleine Holztreppe führt hoch auf eine breite Veranda, die sich um das halbe Haus erstreckt. Ein breiter Flur aus knarrenden Dielen führt ins Innere.Fast alles ist aus Holz.
Ihr Empfang ist herzlich. Entspannt frühstücken wir gemeinsam in der Sonne. Es gibt viel zu erzählen, zu viel für den Moment. Aber dafür wird in den nächsten Tagen genug Zeit sein.
Nachmittags zeigt Kaspar mir "Troopy", einen Toyota Land Cruiser. Baujahr 1993. Umgebaut zum Camper von Kaspars Bruder Joffre. Gehören tut er Jacob, seinem anderen Bruder.
Mein Zuhause für die nächsten Wochen – ein unfassbares Auto. Die einfache Innenverkleidung aus Leder, der laute Motor, raue Fahrweise, Gemacht für "rough surface" (Offroad), die weite Steppe Australiens. Ich spüre, wieviel Arbeit in ihm steckt. Er hat alles, was man für den Camper-Livestyle braucht. Kühlschrank, Bett, viel Stauraum. Let's adventure. Und ein riesen Dankeschön, an Jacob und Joffre, dass er für ein paar Wochen mein Roadtrip-Domizil sein wird!
Magpie-Attacke!
Abends gehen wir Tennis spielen. Ich glaube, ich entdecke eine versteckte Leidenschaft. Forbes besitzt eine Reihe guter Tennisplätze, offen für jede und jeden.
Womit ich beim Thema Sport angekommen bin. Gestern bin ich zum ersten Mal seit drei Wochen Rad gefahren. Und genauso hat es sich angefühlt. Vorher dachte ich, die größte Herausforderung wird der Straßenverkehr. Die allerwenigsten kommen hier auf die Idee Rennrad zu fahren. Doch es kam viel besser.
Zunächst fühlte es sich sehr komisch an – Fahren auf der linken Seite. Bei jedem Abbiegen, was hier nicht oft vorkommt, überlege ich drei Mal in welche Richtung ich schaue und wo ich hinfahre.
Plötzlich kreischt es über mir. Ohrenbetäubend, als ich hochschaue, kann ich den Kopf gerade noch einziehen – Magpie-Attacke! Ganze acht Mal dreht der schwarz-weiße Vogel ab, wendet, stürzt sich erneut hinab. Die Klauen ausgestreckt, den Schnabel auf den Helm zielend. Gruselig. Ich mache eine Vollbremsung. Der sogenannte "Flötenvogel" dreht ab. Drei Kilometer später das gleiche Spiel erneut.
Als ich schließlich aus der Stadt heraus bin, wird es ruhiger. Doch ab nun schaue ich doppelt argwöhnisch in die vogelbesetzten Eukalyptus-Kronen entlang der Straße.
Auf der Hälfte der Fahrt verfolgt mich ein Hund, ganze zwei Minuten rennt er dicht hinter mir mit knapp 40 Kilometern pro Stunde. Ich sehe Kängurus, minutenlang neben mir herhüpfend. Schafe, Bullen, Wildpferde, verschiedenste Vögel in bunten Farben.
Vielleicht klingt das kitschig, aber hier muss der Mensch nach links und rechts schauen. In Deutschland ungewohnt: Alles safe. In Australien verlässt einen schnell die gefühlte Sicherheit der menschlichen Zivilisation – pure Wildnis. Unfassbar spannend, mit einer süßen Prise Grusel.
Basislager Forbes
Die nächsten Tage werde ich mir hier einleben. Das sind die letzten Wochen mit klarer Struktur. In einem Haus, Training, feste Mahlzeiten, geregelter, geplanter Tagesablauf.
Mitte November geht es dann hinaus, wohin weiß ich selbst noch nicht genau. Das bestimmen Gemüt und Instinkt. Ich könnte kaum gespannter sein.
"Sha sha sha!". Ich hoffe "Troopy" hat eine gute Soundanlage.
Macht's gut, euer Jon!
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